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Sandra Albrecht

04 - Andy Warhol


New York empire state buildung nebel 1950

Kapitel 4:

Von Kakerlaken und Katzen.

Die ersten New Yorker Jahre.


Alias Hallodri Podcast Folge

 

Dampfschwaden hüllen die Stadt in eine magische Atmosphäre. Die Bewohner, die durch die Straßen hasten, sind stets modisch und gepflegt gekleidet. Lippenstift und zurechtgemachte Haare. Weit und breit kein Jogging-Outfit zu sehen, selbst beim Einkaufen.


Nicht alle Haushalte haben einen Fernseher, und wenn doch, dann war es meist ein kleiner Schwarz-Weiß-Bildschirm, der sowohl für Kinder als auch für Erwachsene eine aufregende Neuheit darstellte. Das Radio war sehr beliebt; Familien versammelten sich, um gemeinsam die Programme zu hören.


Höflichkeit und gutes Benehmen wurden als wesentliche soziale Werte angesehen und den Kindern von klein auf beigebracht. Gemeinsame Familienaktivitäten, wie regelmäßige Kirchenbesuche, waren ebenfalls wichtig. Deshalb war es für viele Eltern ein Schock, als ihre Kinder durch den Einfluss von Chuck Berry und Elvis Presley ausflippten und den Rock’n’Roll sogar als Teufelsmusik bezeichneten.


Die ersten Computer großer Firmen waren riesige Geräte, die ganze Zimmer einnahmen und vor allem für Kalkulationen verwendet wurden.


New York 1950 Menschen Straße

New York war eine vibrierende Stadt in den 1950er-Jahren, das Zentrum für Mode und Kunst.

Andy zog nach seinem Studium gemeinsam mit seinem Studienkollegen Philip Pearlstein in die Metropole, um dort als Werbegrafiker tätig zu werden. 500 km trennten Andy nun von seiner Familie, was einer 7-stündigen Autofahrt entspricht. Er lebte von Gelegenheitsarbeiten als Werbegrafiker und Schaufensterdekorateur oder verkaufte Obst und Gemüse auf der Straße.


In dieser Zeit wird der Name, der ins kollektive Gedächtnis eingehen wird, geboren: ANDY WARHOL.

Seit etwa 1942 etablierte sich sein Künstlername, da Menschen aus seiner Umgebung das „a“ vergaßen. Der Künstler erinnerte sich später, dass es gleichsam ein „natürlicher“ Prozess und keine bewusste Abkehr von seinen Wurzeln war.


Die Anfänge in New York waren für den jungen Andy nicht leicht. So beschreibt er seinen Alltag:

Den ganzen Tag über war ich auf der Suche nach Aufträgen, und wenn ich abends nach Hause kam, fing ich mit dem Zeichnen an. So sah mein Leben in den fünfziger Jahren aus: Grußkarten und Aquarell und ab und zu eine Lyriklesung in einem Kaffeehaus.

- Andy Warhol



 

Ken Heyman, Andy Warhol at home eating Kellogg's Corn Flakes with his mother, Julia Warhola, 1966
Ken Heyman, Andy Warhol at home eating Kellogg's Corn Flakes with his mother, Julia Warhola, 1966
© Ken Heyman, courtesy Woodfin Camp Associates

Nachdem Andys ältere Geschwister Paul und John aus dem Elternhaus ausgezogen waren, um ihre eigenen Familien zu gründen, und seine Mutter Julia alleine in Pittsburgh saß, entschied sie sich 1951, zu Andy nach New York zu ziehen. Dort lebten sie gemeinsam in einem Apartmenthaus mit vielen Katzen.


Auch hier können wir die enge Beziehung und den bemerkenswerten Rückhalt durch seine Mutter erkennen. Zu dieser Zeit illustrierten die beiden gemeinsam ein Buch, was offenlegt, welchen Einfluss Julia auf ihren Sohn hatte. Denn nicht nur die zeichnerischen Arbeiten ähneln sich, sondern auch ihr gemeinsamer Humor wird deutlich.


Das erste Buch, das sie herausbrachten, trägt den Titel: 25 Cats Name(d) Sam and One Blue Pussy.


Julia, fertigte die Kalligrafie, die Schrift, für das Buch an und ließ versehentlich das „d“ am Ende von „Name“ weg – ein Fehler, den Andy charmant fand und deshalb so ließ, wie es war. Um die Verwirrung noch zu steigern, enthielt das Buch nur 16 Katzen, die alle von Warhol illustriert und als Lithografien reproduziert wurden.


Andys „Malpartys“ oder Color-Partys waren lockere Zusammenkünfte, bei denen er Freunde und Bekannte einlud, um gemeinsam an Kunstprojekten zu arbeiten. Die Gäste, die oft aus anderen Künstlern, Freunden und Kreativen bestanden, halfen dabei, die Schwarz-Weiß-Vordrucke von Warhols Katzen mit Aquarellfarben zu kolorieren.







Schon der Titel des Buches zeigt Warhols feinen, eigensinnigen Humor, der unweigerlich ein Schmunzeln hervorruft. Es ist natürlich ungewöhnlich, 25 verschiedenen Katzen denselben Namen zu geben, und noch skurriler, diese Namensgebung zu brechen und eine der Katzen schlicht „Blue Pussy“ zu nennen.


Mit einem ähnlichen Humor sind auch die Illustrationen angefertigt. Das Buch ist in einem schlichten weißen Einband eingefasst, das 20 weiße, etwas dickere Seiten enthält. Auf der rechten Buchhälfte befindet sich jeweils eine Katzenillustration. Spätestens hier wird klar, dass etwas nicht ganz stimmen kann, denn der Titel verspricht uns 25 Katzen, was aufgrund der Seitenzahl nicht möglich sein kann. Insgesamt haben wir 19 Sams und eine Blue Pussy. Damit die BetrachterInnen sicher sein können, dass es sich um einen „Sam“ handelt, hat Warhol immer den Namen daneben geschrieben.


Die Zeichnungen wirken wie einfache Kinderbilder, doch wenn du sie genauer betrachtest, fallen die unterschiedlichen Haltungen der Katzen auf. Der Charakter und die Eigenarten der Katzen sind fein herausgearbeitet und auch perspektivisch schön dargestellt.


Insgesamt wurden 190 verschiedene Kopien angefertigt, was in einer Art Impressum auf der letzten Seite nachzulesen ist. Warhol soll diese Bücher als kleine Geschenke für Kunden und Freunde genutzt haben. Kein Buch gleicht dem anderen, da die Katzenillustrationen unterschiedlich angeordnet sind und seine Freunde die Bilder verschieden ausgemalt haben.


 

Nachdem die erste gemeinsame Katze Hester, die im Buch als die „one blue pussy“ hervorsticht, verstirbt, fertigte seine Mutter ein weiteres Buch an. Sie erzählt von Hesters Abenteuer im Himmel. „Es zeigte das, was sie am meisten liebte – Engel und Katzen“, sagte Andy später über das Projekt seiner Mutter.

 

Wenn wir die beiden Arbeiten vergleichen, muss ich eigentlich nicht mehr viel dazu sagen. Du kannst klar den Einfluss von Julia auf Andys Stil und Humor erkennen.






 


1957 zählte Andy bereits zu den anerkanntesten und bestbezahlten Werbegrafikern der USA. Er erhielt eine Medaille und einen Sonderpreis vom Art Directors Club für Werbegrafik in Zeitungen.


Das klingt auf jeden Fall beeindruckend, was es auch ist. Trotzdem dürfen wir dabei nicht vergessen, dass es sich um eine Zeitspanne von acht Jahren handelte, in der er seine Karriere aufbaute. Rückblickend klingt so etwas immer leicht und schicksalhaft, fast wie vorherbestimmt. Aber der Anfang in New York war für Andy nicht leicht.


Das, was mir, abgesehen von den durch arbeiteten Nächten, am stärksten in Erinnerung geblieben ist, sind die Kakerlaken.

In jeder Wohnung, in der ich gewohnt habe, hat es sie scharenweise gegeben. Niemals werde ich den entsetzlich peinlichen Augenblick vergessen, als ich mit meinen Entwürfen im Büro von Carmel Snow bei Harper’s Bazaar erschienen und beim Auffinden meiner Zeichenmappe eine Kakerlake herauskroch und am Tischbein abwärts lief. Ich tat Carmel so leid, dass sie mir einen Auftrag gab. 

- Andy Warhol

 

Durch die Unterstützung seiner Mutter, sein Durchhaltevermögen und sein Talent gelang es ihm, ein gutes Einkommen mit seinen Illustrationen zu generieren und erste Ausstellungen zu organisieren. Doch Andy war das nicht genug. Veränderung musste her!


Wenn die Kunst da ist, kommt als nächster Schritt die Business-Kunst. Ich habe als Werbegrafiker mit kommerzieller Kunst angefangen und möchte es zum Business Künstler bringen.

Nachdem ich also Kunst gemacht habe (wenn man es so nennen will), stieg ich in die Business-Kunst ein. Ich wollte Kunst Business man oder Business-Künstler sein.


In der Hippie-Zeit wurde alles, was mit Business zu tun hatte, abgelehnt. Es hieß: Geld ist schlecht und Arbeit ist schlecht, aber Geldverdienen ist eine Kunst, und arbeiten ist eine Kunst, und ein gutes Business in ist die größte Kunst. 

- Andy Warhol






 
Quellen:
  1. https://artinwords.de/andy-warhol-biografie/
  2. Warhol, Andy: Die Philosophie des Andy Warhol von A bis B und zurück. Fischer Taschenbuch Verlag. Frankfurt am Main, 2009. S.27.
  3. https://www.fangandfur.co.nz/blogs/mews/warhol-his-mum-and-lots-and-lots-of-cats
  4. Warhol, Andy: Die Philosophie des Andy Warhol von A bis B und zurück. Fischer Taschenbuch Verlag. Frankfurt am Main, 2009. S. 37.
  5. Warhol, Andy: Die Philosophie des Andy Warhol von A bis B und zurück. Fischer Taschenbuch Verlag. Frankfurt am Main, 2009. S. 86
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